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                Date: 2002-03-15
                 
                 
                Softwarepaten/te: SPD ersucht SPD
                
                 
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      "Der Vorsitzende des Bundestagsunterausschusses Neue Medien bittet  
seine Parteikollegin Bundesjustitzministerin Däubler-Gmelin, dem Brüsseler  
Vorschlag, Programmlogik patentierbar zu machen, eine ähnlich klare  
Absage zu erteilen wie Frau Däubler-Gmelin es im November 2000  
gegenüber den Plänen der Patentlobby tat, die "Programme für  
Datenverarbeitungsanlagen" von der Liste der Nicht-Erfindungen im  
Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) zu streichen. 
 
es fing schon früher an 
http://www.quintessenz.at/archiv/msg01241.html
                   
 
Tauss fordert eine Unterstützung der Position Frankreichs und zählt auch  
das BMWi zum Kreis derer, die dieser Position zuneigen.  Grundsätzlich hält  
Tauss eine Klärung der Grenzen der Patentierbarkeit auf EU-Ebene für  
sinnvoll.  Der vorliegende Entwurf ziele aber darauf ab, im Sinne des EPA  
"lästige Debatten zu beenden" und so die vom EPA verursachten Probleme  
weiter zu verschlimmern, statt sie zu lösen."  
 
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Jörg Tauss, MdB * Unter den Linden 50 * 11011 Berlin 
 
An die Bundesministerin für Justiz Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin  
 
die EU-Kommission hat am 20. Februar 2002 den lange erwarteten  
Richtlinienentwurf zur Patentierbarkeit von Software beschlossen. Wie Sie  
wissen, ist diese Frage in den vergangenen Monaten und Jahren sehr  
kontrovers diskutiert worden. So hat auch der Unterausschuss Neue Medien  
gemeinsam mit dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 21.  
Juni 2001 ein öffentliches Expertengespräch durchgeführt, um sich  
hinsichtlich der Chancen und Risiken einer Erweiterung der Patentierbarkeit  
von Software zu informieren. Die kritischen Ergebnisse habe ich kursorisch  
zusammenfassen lassen und dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses  
zur Verfügung gestellt (Anlage). Ebenso hat sich die Enquete-Kommission  
"Globalisierung der Weltwirtschaft Herausforderungen und Antworten" mit  
dem Problem der zunehmenden Monopolisierung des Wissens befasst und  
ausdrücklich vor den negativen Auswirklungen etwa einer zu engen  
Auslegung der TRIPS-Bestimmungen gewarnt. Hier wurden als negatives  
Beispiel neben der Gesundheits-, Landwirtschafts- und der Ernährungspolitik  
insbesondere eben auch der Softwarebereich angeführt. 
 
In dieser Angelegenheit hatten Sie sich auf der Konferenz zum europäischen  
Patentübereinkommen im November 2000 zurecht gegen eine voreilige  
Änderung des Art. 52 EPÜ ausgesprochen. Mit dem von der EU-Kommission  
nach langem internen Streit zwischen den Generaldirektionen Binnenmarkt,  
Wettbewerb und Informationsgesellschaft beschlossenen Richtlinienvorschlag  
(KOM (2002) 92end.) gewinnt die Debatte nun wieder an Dynamik. Ohne den  
Vorschlag an dieser Stelle im Detail bewerten zu wollen, so lässt er doch  
zahlreiche Fragen offen. Zumindest irritierend ist es aber, dass der  
beschlossene Text in den entscheidenden Punkten wortgleich mit einem  
bereits länger kursierenden Entwurf ist, als dessen Autor ein Jurist der  
Business Software Alliance (BSA) gilt. Die BSA wiederum ist ein  
Interessenverband der großen Softwarehersteller allen voran Microsoft, der  
sich bisher weniger mit Patentrecht, als vielmehr mit der internationalen  
Durchsetzung eigener wirtschaftlicher Interessen beschäftigt hat. Wieso sich  
die EU-Kommission den Vorschlag eines Interessenverbandes zu eigen  
macht, sei dahingestellt. Politisch stehen für mich aber weiterhin folgende  
Fragen im Vordergrund: 
 
* Eine Übernahme des amerikanischen Softwarepatentsystems ist auch  
aufgrund der bisherigen negativen Erfahrungen in den USA abzulehnen. Ein  
europäischer Weg in der Softwarepatentpolitik erscheint nicht nur möglich,  
sondern auch angebracht und wird offensichtlich auch in Brüssel verfolgt. *  
Die bisherige, bereits rechtlich strittige Patentierungspolitik des EPA, ist zu  
evaluieren und unrechtmäßig erteilte Patente sind zu widerrufen. In diesem  
Zusammenhang von der "Herstellung der Rechtssicherheit auf Grundlage des  
Status Quo" zu sprechen, wie es der Richtlinienvorschlag tut, erscheint  
zumindest klärungsbedürftig. Um es klar zu sagen: Das EPA hat bereits eine  
Unmenge fraglicher Patente erteilt, die nicht ohne Prüfung mit einem  
Federstrich im Nachhinein legalisiert werden dürfen. Auf Basis einer  
Fehlentwicklung Rechtssicherheit herstellen zu wollen, nur um lästige  
Debatten zu beenden, erscheint mir nicht als ein angemessenes Vorgehen. *  
Eine freie Patentierbarkeit von Software entzieht alternativen  
Entwicklungskonzepten die Grundlage, insbesondere Open Source-Software  
wie die wirtschaftlich erfolgreiche Serversoftware Apache oder das  
Betriebssystem Linux wäre in der jetzigen Form nicht mehr möglich (offenbar  
ist der Umweg über Brüssel ein guter Weg, um sich als weltweiter  
Monopolist seiner ärgsten Widersacher zu entledigen). Wir können nicht  
einerseits den Einsatz von Open Source-Software fordern und fördern, die  
auch hinsichtlich der zunehmend wichtigen Sicherheits- wie Kostenaspekte  
gerade für den öffentlichen Bereich attraktiv sind, andererseits diese  
insbesondere europäische Entwicklung durch freie Patentierbarkeit  
unmöglich machen und amerikanischen Unternehmen das Feld überlassen. 
 
Die Patentierbarkeit von Software ist eine Kernfrage der künftigen  
Entwicklung der Informations- und Wissensgesellschaft, da die Bedeutung  
sowohl elektronischer Information und Kommunikation, als auch der IT- 
Infrastruktur weiter zunehmen wird. Lassen wir es weiter zu, dass  
entscheidende Schnittstellen dieser Infrastruktur zunehmend monopolisiert  
und der allgemeinen gesellschaftlichen Verfügbarkeit entzogen werden,  
müssen wir uns nicht wundern, wenn in weiten Teilen naturgemäß rendite- 
orientierte Entscheidungen amerikanischer Unternehmen die Möglichkeits-  
und Entwicklungsbedingungen auch der europäischen Wissens- und  
Informationsgesellschaft wie -industrie bestimmen. Erster Hinweise auf die  
Auswirkungen können bereits beobachtet werden, hier möchte ich nur drei  
Beispiele kurz anführen: so ist natürlich in den USA eine Klage anhängig, in  
der es um die Verwendung von Hyperlinks geht, dem beinahe wichtigsten  
Navigationsprinzip im Internet. Dieses verletze Patente, so die Klägerin, die  
sie an diesem Verfahren halte Lizenzgebühren für jeden Mausklick im Netz  
an ein einziges Unternehmen? In einem zweiten Verfahren werden  
patentrechtliche Ansprüche an dem Prinzip erhoben, Kopien digitaler Güter  
aus dem Internet herunterzuladen. Bei jedem dieser Downloads, etwa eines  
Musikstücks oder Programms, wären Gebühren an ein einzelnes  
Unternehmen fällig, nur weil es als erstes ein Verfahren patentieren ließ,  
welches viele Personen parallel ersonnen haben und das bisher  
milliardenfach frei eingesetzt wurde. Und drittens schließlich ist erst in  
diesen Tagen ein Rechtstreit in den USA nach 3 Jahren außergerichtlich  
beigelegt worden, der 1999 zwischen zwei Unternehmen um das sogenannte  
One-Click-Patent entbrannte. Hier wurde ein Verfahren patentiert, mit dem  
Kunden eines Online-Shops ein aktuell angezeigtes Produkt mit nur einem  
einzigen Mausklick bestellen konnten. Im Umkehrschluss verlangte die  
Patentinhaberin nunmehr, dass bei der Konkurrenz mindestens zwei Klicks  
notwendig sein müssen, um den Patentanspruch nicht zu verletzen wieder ist  
der innovative Fortschritt mehr als fragwürdig und der Kampf um geringste  
Wettbewerbsvorteile mehr als offensichtlich. Die Analogien zur  
Biopatentdebatte sind offenkundig, auch hier ist nämlich die Frage zu stellen,  
welchen außerordentlichen gesellschaftlichen Beitrag die Innovationen der  
Unternehmen geleistet haben, die ein derart folgenreiches und langfristiges  
Verwertungsmonopol rechtfertigen könnten. Die EU-Kommission drückt sich  
um eine Antwort auf diese im Grunde politische Frage: was soll eigentlich  
patentierbar sein und was geht aus welchen Gründen zu weit? Bis heute gibt  
es keine Antwort darauf, ob etwa die drei beschriebenen amerikanischen  
Patente nun auch in Europa möglich sein sollen, oder eben nicht. Das EPA,  
darauf möchte ich mit Nachdruck ein weiteres mal hinweisen, hat mittlerweile  
mehrere Tausend Patente erteilt, deren Erfindungshöhe sich kaum positiv von  
den zitierten Beispielen abhebt und daher mehr als fraglich ist. 
 
Die EU-Kommission geht der Kernfrage in der Debatte um die  
Patentierbarkeit von Software gegenwärtig aus dem Weg. Sie lautet nämlich,  
ob und inwiefern Software nach den allgemeinen patentrechtlichen  
Grundsätzen tatsächlich eine Erfindung darstellen kann und auch tatsächlich  
dem Bereich dem Technik, auf den das Patentrecht begrenzt ist, zuzuordnen  
ist. Erfindungen im Sinne einer signifikanten Erweiterung gesellschaftlichen  
Könnens resp. ihrer technischen Problemlösungskapazitäten sind nicht  
bereits durch die handwerklich auch noch so gelungene Anwendung  
bestehenden Wissens und bestehender Verfahren gegeben, sie dürfen  
vielmehr selbst für fachkundige Personen nicht naheliegend sein. Technik im  
Sinne einer Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer  
Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges (so der BGH)  
bedarf offenbar des physikalischen Bezuges. Dieser ist aber in der Dualität  
von Software/Hardware in der IT-Welt nicht ohne weiteres gegeben, war es  
doch gerade die Neumann'sche Universalmaschine (die wir heute Computer  
nennen), die beide Bereiche voneinander unabhängig machte und  
eigenständige Entwicklungslinien ermöglichte. Jedes Programm (als  
algorithmisierte Logik) läuft auf jedem Rechner (als physikalisches Substrat  
der logischen Manipulationen), gleich welche Programmiersprache verwendet  
wird oder welcher Prozessor die Befehle abarbeitet es ist eben eine  
logikoffene universale Rechenmaschine. Software ist daher eher einer  
handwerklichen Tätigkeit vergleichbar und folgt als textbasiertes Medium eher  
logischen Regeln als naturgesetzlichen Verfahren. Die Richtlinie verlangt von  
den Mitgliedstaaten in Artikel 3 nun aber, so-genannte  
computerimplementierte Erfindungen als Teil der Technologie auszufassen  
und spricht sich damit grundsätzlich für ihre Patentierbarkeit aus, um die  
Rechtssicherheit zu erhöhen - die Beweggründe zu dieser weitreichenden  
Regelung sind nicht ersichtlich. 
 
Abgesehen davon, dass die rechtliche Frage der Patentierbarkeit von Logiken  
strittig ist und auch die innovationspolitische Notwendigkeit zumindest für  
den Bereich der Softwareentwicklung verneint werden kann, sollte auch ein  
weiteres Ziel nicht aus den Augen verloren werden: wir wollen den IT-Bereich  
wirklich internationalisieren und eine vor allem amerikanisch dominierte  
Monokultur in der Softwarelandschaft aufbrechen. Hier hat Europa eine  
einmalige Chance, gerade über Open Source-Projekte entscheidende  
Elemente der künftigen IT-Infrastruktur mitzubestimmen. Diese Chance darf  
nun nicht durch eine einseitige, an den Interessen (amerikanischer)  
Großkonzerne und deren patentjuristischer Abteilungen orientierte Richtlinie  
gefährdet werden. Oder, um sinngemäß die Worte von Prof. Plattner, dem  
Vorsitzenden des erfolgreichen deutschen Softwarehauses SAP, anzuführen:  
man brauche keine Softwarepatente, um auf den Märkten für Software  
erfolgreich zu sein. Sehr wohl braucht man diese Patente aber, wenn man  
sich mit den aggressiven amerikanischen Unternehmen vor amerikanischen  
Gerichten auseinandersetzen will oder gar muss. Auch dort wolle eigentlich  
keiner Softwarepatente, doch wird die bestehende rechtliche Möglichkeit zum  
Rent-Seeking oder Marktabschottung eben inflationär genutzt. Dieser Zwang  
besteht für Europa anders als es oft kolportiert wird keineswegs, weder  
verlangt das TRIPS noch der gegenwärtig neu verhandelte Patenvertrag der  
WIPO explizit eine Patentierbarkeit von Software. Niemand beabsichtigt die  
international anerkannten patentrechtlichen Grundsätze generell in Frage zu  
stellen. Ich bin nur dezidiert der Auffassung, dass Software diese  
Anforderungen nicht zu erfüllen vermag und Softwarepatente darüber hinaus  
nachweislich volks- wie betriebswirtschaftlich negative Effekte produzieren  
würde. 
 
Die Richtlinie ist daher keineswegs überflüssig, sie ist sogar sachlich  
notwendig und kann ein entscheidendes Signal in die richtige Richtung  
geben. Dies setzt allerdings voraus, dass es gelingt, erhebliche Änderungen  
am gegenwärtigen Entwurf durchzusetzen. Hier unterstütze ich in jeder  
Hinsicht die Kritik Frankreichs oder auch aus dem  
Bundeswirtschaftsministerium zum Richtlinienvorschlag und möchte Sie  
bitten, sich ebenfalls für eine solche Verbesserung und auch Klarstellung  
einzusetzen. Indem ich auf Ihre weitere Unterstützung in dieser  
Auseinandersetzung sowie in den bevorstehenden Diskussionen baue,  
verbleibe ich 
 
mit freundlichen Grüßen 
 
http://swpat.ffii.org/papiere/eubsa-swpat0202/tauss020312/index.de.html  
 
 
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edited by Harkank 
published on: 2002-03-15 
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